Im Jardin des Plantes / DIE LICHTER VON PARIS

Vor kurzem war ich in Paris im Jardin des Plantes, dem Botanischen Garten der Stadt. Der Garten, der ursprünglich Heilpflanzen gewidmet war, geht auf Anfänge im 17. Jahrhundert zurück und wurde sukzessiv erweitert und in seiner Bedeutung ausgebaut. Unter anderem befindet sich dort heute das Naturhistorische Museum (und schöne alte Gewächshäuser), mit einem eigenen Bau für die Sammlung der Paläontologie und einer beeindruckenden Skelettsammlung ausgestorbener aber auch noch lebender Tierarten. Ich habe noch nie so viele Knochen fein säuberlich arrangiert an einem Fleck ausgestellt gesehen! Meine Begleitung, die französische Illustratorin Anna Lubinski, wies mich darauf hin, dass in diesem Museum sehr viele Illustrator*innen zeichnend und den Knochenbau studierend anzutreffen sind, vorzugsweise aus dem Bereich der Animation.

Auffallend war der Eisenträger-Stil, in dem das Museum für Paläontologie innen ausgestattet ist (erstes Bild ganz oben in diesem Beitrag). Dem Jugendstil zuzuordnen, fand ich ihn besonders lebendig und einfallsreich (und „reich“ generell) und machte mich auf die Suche nach dem Architekten. Und siehe da: es handelt sich um Ferdinand Dutert, den Architekten der berühmten „Galerie des Machines“, der Maschinenhalle, die auf der Weltausstellung 1889 in Paris für Furore sorgte (dies war auch die Weltausstellung, auf der der Eiffelturm eröffnet wurde, und nicht, wie fälschlicherweise von vielen angenommen, die noch etwas berühmtere Weltausstellung von 1900, zu der ich gleich komme :). Diese Halle, die auf der Ausstellung 1889 die Erzeugnisse der Maschinenbaukunst aller Länder beherbergte, verblüffte damals mit der ungewöhnlich großen Spannweite ihrer Eisenträger. Solche weiten Bögen, die ohne zusätzliche Stützen einen so großen Raum überspannten, hatte man noch nie gesehen! Sie wurde daraufhin in allen Architekturzeitschriften und -aufsätzen international besprochen.

Und sie bewährte sich lange. Auch auf der Weltausstellung 1900, dem Schauplatz meines Bilderbuchs DIE LICHTER VON PARIS – ÉMILE AUF DER WELTAUSSTELLUNG (Gerstenberg Verlag), stand sie noch. Wie alles aus vorheriger Zeit entsprach sie da allerdings nicht mehr so ganz dem Zeitgeschmack um 1900, in ihren vergleichsweise eher schlichten Formen, und wurde daher um Anbauten erweitert und umgestaltet (auch den Eiffelturm hatte man überlegt, für die Weltausstellung 1900 noch mal etwas zu „überarbeiten“ – unter anderem hatte man geplant, ihn mit Stuck zu überziehen (!) – und davon jedoch Abstand genommen). Im Falle der Maschinenhalle von Dutert bedeutete dies, dass zum Champ de Mars hin – dem Bereich an einer der Längsseiten der Halle, der sich zum Eiffelturm hin öffnet und den man für die Weltausstellung 1900 vorhatte, mit großen Ausstellungspalästen zu säumen – ein Vorbau entstand, dem ein riesiger Brunnen mit Wasserspielen angeschlossen war: Das sogenannte „Château d’Eau“ („Wasserschloss“). Es war ein eklektizistisch (also in einer Mischung aus Stilen inspiriert von unterschiedlichen Baustilen vergangener Jahrhunderte) gehaltener, eine Grotte symbolisierender Palast, der von einem aus vielen Glasstücken zusammengesetztem Stern bekrönt wurde, hinter dem wiederum eine Art Wand aus Eisen-Verzierungen hervorragte, die ebenfalls mit tausenden von Glühlampen bestückt war. Zu einer bestimmten Uhrzeit an den Ausstellungstagen wurde das Licht an diesem Palast eingeschaltet, und Brunnen und Gebäude erstrahltem im Schein tausender Glühbirnen, was eine unglaubliche Novität darstellte. Da im Brunnenbecken vor der Grotte simultan Wasserspiele angingen, und dieser teilweise mit farbigen Glas- und Spiegelstücken ausgekleidet war, die das Licht reflektierten, muss der Anblick fantastisch gewesen sein!

Genau dieser Moment des Einschaltens ist ein entscheidender in DIE LICHTER VON PARIS. Hier sucht Émile, meine Hauptfigur, seinen Vater – der im Elektrizitätspalast, dem zentralen Maschinenhaus der Weltausstellung (von dem alle Attraktionen mit Strom und Licht versorgt wurden), arbeitet. Aber das Licht bleibt aus und Émile muss der Sache natürlich auf den Grund gehen – und kommt einem gefährlichen Komplott auf die Spur (keine Angst, am Schluss sieht man das erstrahlende Licht und bekommt den fantastischen Anblick des hell erleuchteten Wasserschlosses mit seinen Fontänen in meinem Buch noch geboten, soviel sei hier schon verraten ;).

Gebaut wurde das Wasserschloss, das auch in der Realität dem „Elektrizitätspalast“ vorgelagert war (der wiederum in die alte Maschinenhalle von Dutert eingebaut wurde), von den Architekten Eugène Hénard und Edmond Paulin. Hénard hatte Dutert bereits beim Bau der originalen Galerie des Machines für die Weltausstellung 1889 assistiert. Paulin gestaltete das Äußere des „Wasserschlosses“ und half so, die Pariser Weltausstellung 1900 um eine Attraktion zu bereichern, die wohl nie mehr vergessen werden wird: geschickt war seine neobarocke, teils groteske, aber raffinierte Mischung an Stilen, die das fantastische Bauwerk schmückten.

In den Bildern 2-4 oben habe ich die Lage der alten Maschinenhalle von Dutert auf dem Gelände der Weltausstellung von 1900 markiert – so, wie sie in meinem Buch DIE LICHTER VON PARIS vorkommt und welches eine genaue Abbildung des Zustandes um 1900 ist (genau auch deswegen, weil es sich ja um ein SACHbilderbuch für Kinder handelt). Das „Wasserschloss“ von Hénard und Paulin mit seiner Brunnenanlage kann man genau in der Mitte davor sehen. Im Buch kommt es aber auch groß und in all seiner Pracht vor :).
Die Geschichte um Émile auf der Weltausstellung 1900 geht gut aus! Schaut doch mal rein :):

DIE LICHTER VON PARIS.